Meine Arbeitsschwerpunkte

Meine wissenschaftliche Arbeit am Alten Testament hat zwei Schwerpunkte. In der Forschung arbeite ich seit meiner Dissertation daran, zu zeigen, wie und wozu ein biblischer Text gelesen werden will, wie er „funktioniert“.

Ich stelle eine Wahrnehmung von Karl Dedecius über diese Arbeit:

„Wörter sind unzuverlässig. Aber sie sind das Material, mit dem wir fertig werden müssen.“
(Karl Dedecius, Vom Übersetzen, Frankfurt/Main 1986, 43)

Dafür braucht es zunächst einmal das gesamte Instrumentarium historisch-kritischer Exegese, zu dem es nach meiner Wahrnehmung keine Alternative gibt, wenn man sich wissenschaftlich mit den biblischen Texten auseinandersetzen will. Doch ich gehe trotzdem über diesem Methodenkanon hinaus. Nimmt man das Alte Testament als Literatur wahr, bedarf es einer Meinung darüber, was Literatur eigentlich ist und was sie will. Das enthält Fragen nach der Literatur des Alten Testaments und einer neuzeitlichen, leserorientierten Texttheorie; ich folge hier im wesentlichen Umberto Eco: Texte wollen gelesen werden und geben dabei selbst die Grundregeln ihrer Lektüre vor. Als literarische Einheit besteht ein Text jedoch nicht nur in seiner Gestalt, sondern auch in seinem Gehalt. Ich versuche daher nachzuzeichnen, wie ein alttestamentlicher Text Sinn produziert und mit welchen anderen Sinnkonfigurationen er im Zusammenhang steht. Hier habe ich mich theoretisch häufig von Jan Assmann inspirieren lassen.

Diese Forschung an alttestamentlicher Literatur konzentriere ich im Wesentlichen auf zwei Textbereiche: Das Buch Amos und die Bücher der Könige. In nächster Zeit wird eine Kommentierung des Buches Ruth dazukommen.

Mein zweiter Arbeitsschwerpunkt liegt in der Lehre. Ich habe selbst Religion als Schulfach unterrichtet und Lehrkräfte fortgebildet. Inzwischen gebe ich Einführungskurse für Studierende der Theologie. Seit meinen Anfängen als Lehrkraft beschäftigt mich die Frage: Was muss man vom Alten Testament wissen? Und wie lässt sich das weitergeben an Schüler, Studentinnen und alle, die sich dafür interessieren? Dabei steht für mich fest: Ohne Bibelkenntnis kann man nicht gut Theologie treiben. Meine Aufgabe als Lehrkraft besteht daher darin, zur eigenständigen, theologisch verantworteten und methodisch sauberen Bibellektüre anzuleiten. Christlicher Glaube und christliches Handeln ist zuerst und zuletzt auf die Bibel als seine Grundlage bezogen. Er geht nicht von Inhalten, Problemen oder religiösen Befindlichkeiten aus, sondern erfährt und interpretiert diese im Bezug auf die biblischen Schriften. Theologische Bildung und Ausbildung muss daher die Bibel in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken. Biblische Wissenschaft und christliche Praxis stellen keine Antithese dar. Eine methodisch saubere exegetische Arbeit bildet kein Hindernis zum Verstehen des Textes, sondern bietet Zugänge zum Text an. D.h., Exegese und religiöse Erfahrung sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern in gegenseitiger Bezogenheit mit dem Text in Dialog treten. Eine gute Bibelarbeit wird sensibel und kreativ auf den Text zugehen, vom Text ausgehen und über den Text hinausgehen. Für alles dies gibt es in der (akademischen) Lehre Raum.

Auch diese Arbeit möchte ich unter eine Wahrnehmung von Karl Dedecius stellen – man kann Lehre oder Vermittlung dabei als eine Form des Übersetzens verstehen:

„Die Übersetzung will am Leben erhalten: vor allem die dem Tode besonders ausgesetzten Werte: Empfindungen und Wahrheiten. Solche, die uns unbekannt geblieben sind, die uns fremd geworden sind oder die uns unterschlagen wurden. Wer Kunst überträgt, über die Grenzen trägt, wirkt gegen den Tod und für das Leben, also für die Gesellschaft, für ihren uralten Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in einer Sprache ohne Falsch und ohne Heuchelei.“
(Karl Dedecius, Vom Übersetzen, Frankfurt/Main 1986, 52)